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HELENA WITTMANN

REISEZIEL: Überquerung des atlantischen Ozeans

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Helena Wittmann
GALERIE MELIKE BILIR & LEVEL ONE

HELENA WITTMANN - EMPFINDLICHES RAUSCHEN

GALERIE MELIKE BILIR & LEVEL ONE

An der Schnittstelle zwischen experimentellem Film und Bildender Kunst montiert die deutsche Künstlerin Helena Wittmann (*1982) hypnotische Einschreibungen in Bild und Ton, die tief in unser elementares Empfinden von Raum und Zeit vordringen. Aufbauend auf konzeptionellen Strategien entstehen ihre Projekte auf der Grundlage einer beharrlichen Betrachtung spezifischer Räume, die zu den Protagonisten ihrer Arbeiten werden. Der Gegenstand ihres großangelegten, neuen Projekts ist die räumliche Wahrnehmung auf offener See. Ausgangspunkt für ihre Auseinandersetzung ist die Hansestadt Hamburg, deren Status als größter deutscher Seehafen für die meisten Bewohner nur ein Gedankenspiel aus der Ferne bleibt.

Mehrere Forschungsreisen auf die Nordseeinsel Sylt ermöglichten eine Annäherung an die räumliche Wahrnehmung des Ozeans. Parallel legten Recherchen, die Wittmann gemeinsam mit der Projektpartnerin und Ethnologin Theresa George durchführte, die kolonialen Spuren frei, auf denen sie sich unweigerlich bewegen würden. Mit seinem Titel Empfindliches Rauschen / Tender Noise bezieht sich das Projekt auf die dichten und vielstimmigen (rauschenden) Schichten von Forschungsmaterial, die ihm zugrunde liegen. Im Zentrum steht jedoch eine sensible Empfindsamkeit auf hoher See, die Wittmann und ihre Projektpartner-innen auf der Reise von Antigua über den Atlantischen Ozean zu den Azoren wie ein erweitertes Logbuch visuell, akustisch (durch die Soundkünstlerin Nika Breithaupt) und schriftlich festgehalten haben.

Das Material, das während der 14-tägigen Reise auf dem Segelschiff Chronos aufgenommen wurde, lässt sich neben den eindringlichen Geräuschen auf der Tonspur in drei Kategorien unterteilen: Die Einstellungen, in denen Theresa schläft und die wie eine Suche nach der psychologischen Traumlandschaft gelesen werden könnten; Die Bilder der Kabine, der Kombüse oder der Gemeinschaftsräume an Bord, die einen soziologischen, zwischen-menschlichen Raum zeigen, in dem die Objekte zu Akteuren werden; und schließlich das Herzstück, die zahlreichen Aufnahmen vom Ozean selbst. Tosende Wellen, ein zartes Blau, das Himmel und Meer – Figur und Grund – miteinander verschmelzen lässt oder die abstrakten Aufnahmen vom Mondlicht, das über die Oberfläche des Meeres glitzert. Letztere stellen einen möglichen Nicht-Ort dar, der nahezu aller Zeitlichkeit beraubt zu sein scheint. Ganz so, als würden das Schwarz und Weiß eine zeitlose Entrücktheit heraufbeschwören.

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Work
Helena Wittmann, 21,3 C, 2014 (Filmstill)

In den filmischen Arbeiten von Helena Wittmann sind Räume immer mehr als nur bloße Austragungsorte für eine Handlung. In ihnen, mit ihnen und an ihren Grenzen entlang zeigen sich die Fragestellungen und gedanklichen Zusammenhänge, mit denen sich Wittmann auseinandersetzt. In ihren Arbeiten WILDNIS und 21,3°C sind es Wohnräume, die zu sinngebenden Elementen werden. Für ihre neue Arbeit wird sie einen Raum untersuchen, der für Hamburg schon immer von entscheidender Bedeutung war, der die Grundsätze von ‘Reisen’ erfüllt, und der in Opposition zum Land jedoch bis heute der 'andere' Raum geblieben ist: der ‘Raum’ am Meer. Auf einem Segelschiff wird sie für diese Arbeit den Atlantischen Ozean überqueren.

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